Michael Kuhn, Journalist aus Luzern, bereist seit Jahren China.

Hier schreibt er, warum wir nach China reisen sollten, um uns ein eigenes Bild machen zu können.

Unten könnt ihr den Blog unserer Reise im Sommer 2017 lesen.

 

 

Deshalb müssen Sie nach China reisen.

 

 

Über China soll ich schreiben, meinte ein Freund. Weil ich jedes Jahr Wochen dort verbringe, viele Chinesen kenne. Und weil das Bild von China und den Chinesen in der Schweiz total falsch sei. Das stimmt. Also. Und nein, keine Bange, Menschenrechte kommen auch noch zu Wort. Am Schluss.

 

Ich beginne mit dem täglichen Leben in China. Zusammen lachen, essen, scherzen, auch über die Lokalregierung und die Partei, sich lieben, abtanzen, geniessen. Das ist China. Eine gute Stimmung in Strassen und Gassen, ein pünktlicher, oft hochmoderner ÖV mit Hochgeschwindigkeitszügen, Trams, Metronetzen, Stadtfähren und Stadtseilbahnen.

 

Es sind die lachenden Kinder nach der Schule, die «tanzenden Tanten», die sich beim Eindunkeln zu oft dröhnendem China-Pop auf öffentlichen Plätzen und Parks bewegen. Es ist das Grün, die Bäume, die schier unzähligen Parks und Flaniermeilen. Denn, ja, chinesische Städte sind meist grosszügig bepflanzt, mit Zonen nur für Fussgänger, mit separaten Spuren für Langsamverkehr, mit grosszügigen Joggingstrecken, mit viel Wasser und Lebensqualität. Es sind die Freunde, die sich ungezwungen treffen, über alles reden, es ist die Familie, die für alle ein zuverlässiger Rückhalt ist, manchmal ein nerviger, vor allem für die jüngeren Generationen, die den älteren teils davongeeilt sind. Es ist das frische, schmackhafte Essen, das überall und jederzeit genossen werden kann.

 

Es sind hochmoderne Stadtquartiere mit kostenlosem W-Lan und 3D-Bildschirmen, Minergiebauten, Wolkenkratzer gebaut nach den höchsten ökologischen Standards, für Fussgänger und Velofahrende optimiert mit ÖV-Anschluss, begrünten Dächern und einem farbigen Mix aus Arbeits-, Konsum- und Kulturwelt. Dann die riesigen, kaum bewohnten Gebiete Chinas, die zwei Drittel der Landesfläche ausmachen. Sie reichen von tropischen Inseln bis zum Gletschereis im hohen Norden, von Palmen bis zu Birkenwäldern, von Vulkanseen, heissen Quellen, Wüsten, Sumpfgebieten, bis zu den Hochebenen und dem Grasland der inneren Mongolei. Es sind diese schier unendlichen Weiten etwa im Nordwesten der Provinz Sichuan, die einem von Ehrfrucht innehalten lassen. Auf einer Höhe von 3500 bis 4500 Metern. Alles grün, Wasserfälle, Bäche, Klöster, Tempel, hunderttausende Yaks – eine Rinderart -, Pferde, auch nach zehn Stunden Autofahrt pro Tag – über fünf Tage hinweg, und das auf perfekt ausgebauten, breiten Strassen. Und freundliche, neugierige, humorvolle Menschen.

 

«Die Leute aus dem Westen kriegen immer einen Kulturschock, weil sie staunen, wie weit China schon ist», sagte mir meine Freundin Lu vor Jahren. Eine Chongqingerin. Ihre Heimat ist eine Grossstadt auf einer Fläche von Österreich, mit 9 Millionen Menschen im Stadtzentrum und total über 32 Millionen Einwohnern. «Umgekehrt haben wir höchstens einen, weil wir feststellen, dass bei Euch vieles nicht so gut läuft, wie wir es uns vorgestellt haben.» Sie lacht. Kurt, ein anderer Freund aus Shenzhen, der für ein Jahr in Amsterdam studierte und schon durch Frankreich, Grossbritannien, Deutschland und die Schweiz gereist ist, meint: «Wir wissen, dass unsere Medien zensiert werden. Ihr aber habt die Schere im Kopf.»

 

Und diese Schere hat es in sich. China sei dreckig, wird kolportiert. Tatsächlich sind die Städte mindestens so sauber wie in Westeuropa. Die Luft sei kaum auszuhalten. Im Juni habe ich vier Nächte in Peking Mond und Sterne gesehen, an den Tagen war der Himmel strahlend blau. Wie zuvor 14 Tage in vier anderen Grossstädten. Ja, Smog gibt es. Vor allem im Nordosten Chinas während den Wintermonaten. Doch dieser schwindet Jahr für Jahr mehr, und die ehrgeizigen Luftverbesserungsziele für 2020 wird China wohl erreichen. Die Menschen würden sich unsere Form der direkten Demokratie wünschen, wird behauptet. In fünfzehn Jahren habe ich nicht eine Chinesin, nicht einen Chinesen getroffen, der sich ein politisches System wie in der Schweiz wünscht, auch wenn viele sich sehr wohl mehr demokratische Mitbestimmung erhoffen. Ein System wie in der Schweiz, so die gängige Meinung, würde nicht funktionieren für 1'350 Millionen Menschen. Chinesen sind pragmatisch. Sie nehmen an den lokalen Regierungswahlen teil – ja, die gibt’s, landesweit –, sie opponieren direkt, wenn sie mit neuen Bauprojekten nicht einverstanden sind, ziehen bei drohenden Enteignungen mit ungenügender Abfindung vor Gericht und organisieren sich, wenn sie juristische Urteile nicht nachvollziehen können. Oft werden so Metrolinien anders verlegt, der Schutz von Kindern vor häuslicher Gewalt verbessert, die Umweltstandards erhöht oder Politiker und Parteifunktionäre abgesetzt. Denn wenn die Partei und die Lokalregierungen auf eines bedacht sind, dann darauf, dass sich die Chinesinnen und Chinesen wohl fühlen und sich der Lebensstandard für immer mehr Menschen massiv verbessert – nur das sichert ihnen die weitreichende Unterstützung, welche das politische System nach wie vor geniesst.

 

Das respektloseste Vorurteil von Europäern und US-Amerikanern gegenüber den Menschen in China: Chinesen seien Roboter. Ohne Persönlichkeit. Sie würden alles dem Kollektiv unterordnen. In Wahrheit sind auch Chinesinnen und Chinesen Individualisten – je jünger und urbaner, desto mehr. Mit eigenen Werten, Lebensentwürfen und Zukunftsvorstellungen. Sie sind emotional, direkt, humorvoll, hinterfragend. Und wunderbare, lebenslange Freunde.

 

Ist in China nun alles gut, gar perfekt? Natürlich nicht. Noch zu viele Juristen müssen für ihre Unabhängigkeit kämpfen, zu viele Lokalregierungen setzen die Umweltvorschriften aus Peking nur lax oder gar nicht um, zu viele NGO werden verboten und Beiträge im Internet zensiert, zu viele Eltern kriegen wegen fehlender Teilzeitarbeitsplätze Familie und Job kaum unter einen Hut, und der Tierschutz verbessert sich in einigen Provinzen zu schleppend oder kaum.

 

Doch in welchem Staat läuft alles optimal, welcher Staat muss sich keine Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen vorwerfen lassen? Wir exportieren Schaden und Schadstoffe mit Produktionsverlagerungen zu unserem eigenen Wohlbefinden in andere Länder und halten so unsere Westen vordergründig weiss. China und vor allem seine Menschen verdienen einen Dialog auf Augenhöhe, mit dem gebotenen Respekt, auch vor der 5000-jährigen Kultur. Und, bitte, niemand soll mich mehr mit Menschenrechtsfragen konfrontieren, wenn ich von einer Reise durch China in die Schweiz zurückkehre. Oder dann wenigstens das Thema bei allen Reisenden konsequent ansprechen: Nach einem Urlaub auf den Malediven, an der Ostsee und nach Ferien in den USA sowieso.

 

Das Wichtigste zum Schluss: Bilden Sie sich ein eigenes Urteil. Reisen Sie nach und durch China. Aber nicht in einer All-Inclusive-Gruppenreise. Reisen Sie alleine, zu zwei, zu dritt. Wenn ich das kann, können Sie das auch.

 

PS: Wer vor vier und mehr Jahren in China war: Bereisen Sie das Land der Mitte erneut. Der Wandel, vor allem auch der gesellschaftliche, ist rasant. Sie werden ein anderes China erleben; eines, das noch mehr beeindruckt. Positiv beeindruckt.

 

Und nun sind wir in China. Verfolgen Sie unsere Reise im Sommer 2017.

Yangshuo Juli 2017

 

Wie nähert man sich einem Land wie China? – 1001 Möglichkeiten mindestens. – Lektüre von Sach- & Fachliteratur, gepaart mit Belletristik & Erfahrungsberichten. Aktuelle Zeitungsartikel & Kolumnen (vgl. Michael Kuhn). Reportagen von Barbara Lüthi & anderen versierten Asien-Korrespondenten. Geschichtsstudium. – Alles aufschlussreich und spannend; nun wählen wir die 387. Möglichkeit: hin-gehen, er-fahren & er-leben!

 

Zehn Stunden Flug von Europa nach Hong Kong; eine sachte Annäherung. Hong Kong im Transit ist ein Schmelztiegel der Nationen; bietet Eintauchen in diverse asiatische Länder, Einblicke in unterschiedlichste Physionomien, Hörbeispiele verschiedenster Sprachen, … von Gerüchen sprechen wir in diesem Moment nicht (es soll ja olfaktorisch höchst sensible Tagebuchleserinnen gebenJ). – Hong Kong ist nicht China! Oder doch? Darauf kommen wir sicher später ausführlicher zu sprechen.

 

Eine Stunde Flug von HK nach Guilin; eine klare Annäherung. Schliesslich befinden sich nur noch drei weitere Langnasen auf unserem Flug. Eine Stunde Busfahrt von Guilin nach Yangshuo. Gemeinsames Nickerchen mit Einheimischen zwischen Bambuswäldern, Lotus- und Reisfeldern. Wir fahren in die Dämmerung … und in eine subtropische Regenwand.

 

Anmerkung: eine eindrückliche Annäherung bedeutet auch die Aussage des Flugpersonals im Anflug nach Guilin. Am Schluss der Reise sammeln wir alle Zeitungen ein.  Es ist verboten, Zeitungen nach Guilin zu bringen. – Und das Tagi Magi in meinem Rucksack?

 

Yangshuo, ein schmuckes, mittlerweile vom (chinesischen) Tourismus geprägtes Städtchen am Li (Gelber Fluss). Bekannt, wegen der ausgeprägten, eindrücklichen Landschaft: Grün-grüne Karsthügel unterbrochen vom Li. – Genau diese hat es auf die Chinesische Zwanzigernote geschafft (vgl. Xingping). – Yangshuo bietet unheimlich viel chinesische Unterhaltung; insbesondere am Abend sind die Strassen voller Attraktionen … & Lärm. Yangshuo dient uns als idealen Ausgangspunkt. Anklimatisieren (Temperaturen um 30+ / Luftfeuchtigkeit ab 95%); organisieren (ATM, Busse, etc.) und erste Gehversuche beim Erkunden auf eigene Faust. Einige verstehen & sprechen Englisch; das wird sich im Verlauf der Reise noch ändern.

 

 

 

EXKURS_BAUBOOM

 

Sobald sich unser Auge an die neuen Gesichter, die subtropischen Pflanzen und den lokal typischen Schlendergang der Einheimischen gewöhnt haben, fällt eines besonders auf: Der Bauboom. Finden wir es als Schweizer doch nicht unüblich, in Stadtnähe und Agglomeration auf 300 m mindestens einen Baukran auszumachen, fällt die Bautätigkeit in der Provinz Guangxi extrem auf. Viele Behausungen sind im Bau, mit einfachen Bambusstangen eingerüstet. Einige werden in vorgesehener Zeit fertig gestellt; andere wiederum fristen als (vorläufige) Bauruine in der Warteschlange, bis das versprochene Geld eines Wanderarbeiters den Weg nach Hause findet. – Ebenfalls auffällig, der Häusertypus: Ein Vorplatz führt zu einer relativ grossen Tür, hinter der sich ein ein- bis zweiräumiges Parterregeschoss befindet. Im Hintergrund führt eine Treppe in die oberen ein bis zwei Stockwerke. Die unteren Räume sind multifunktional: Garage für den ganzen Fuhrpark; ev. Ladenfläche und sicherlich Gesellschaftsraum. Hier spielt sich das Gesellschaftsleben ab: Nachbarn kommen und gehen, Familienmitglieder arbeiten, baby-sitten, essen (in China wird immer gegessen!), trinken Tee, schlafen, schwatzen, warten, etc. – Kommen wir auf die (vorübergehenden) Bauruinen zurück: Egal, in welchem Zustand das Geld ausgeht, die Tür im Parterre muss immer eingebaut und verschlossen sein. Ob der Dachstock fertig gestellt ist, die Fenster eingebaut sind, ist zweitrangig.

 

 

EXKURS_BARBETRIEB

 

Kommen wir auf das bunte Treiben am Abend zu sprechen, die Unterhaltung der unzähligen, sich in Massen, schliesslich in Gruppen einer Fahne folgend bewegenden chinesischen Touristen. Bar an Bar (Raumgrösse 16 – 30 m2 ) ein ganzer Strassenzug. In jeder Bar eine Kleinstbühne für live Musik… und ein bis zwei junge Musiker, welche den ganzen Abend ihr fast identisches China Pop-Repertoire spielen. In der Nebensaison sind die Bars weniger frequentiert, also performen die jungen Sternchen oft sehr einsam. – Eine coole Chance für die Youngstars, erschreckend uniformiert, wenn man durch diese Strassen zieht.

 

EXKURS_ELEKTROMOTOREN

 

Der chinesische Tag ist akustisch anspruchsvoll: Musik in allen Lebenslagen (privat mitgetragen, in jedem Laden gespielt, ungewöhnlich laute Diskussionen, Anweisungen und Gespräche untereinander, Bautätigkeiten und nicht zuletzt die Zirkadengesänge in allen Bäumen) – Da fällt es uns auf, wie leise der Verkehr ist. Wir nehmen sehr viel Bewegung auf den Strassen wahr, bewegen uns selber mit einem Scooter in der Stadt und auf der Landstrasse. Jedoch fehlt der übliche Strassenlärm. Soooooo viele Scooter und Motorräder, so viele Autos… und so wenig Lärm! Wie angenehm die fortschrittliche Entwicklung, wie verbreitet die Elektromotoren. Wir sind beeindruckt.

 

 

 

 

EXKURS_ALTERNATIVE FAKTEN

 

Versierte, respektive treue Tagebuchleser kennen unsere Art zu reisen. Gerne bereisen wir fremde Kulturen, oft sprechen wir die landesübliche Sprache nicht. Wie jeder weiss, begegnen einem tagtäglich unzählige Situationen, welche einem in Staunen versetzen, welche Fragen aufwerfen. Treten solche Phänomene auf, versuchen wir sie aus unseren eigenen (bescheidenen) Kenntnissen zu erklären. Solche Erklärungen fallen teilweise recht abenteuerlich aus; uns scheinen sie dann für den Moment sehr plausibel. Schwierig bis penibel wird es dann, wenn sie mit der Wahrheit konfrontiert werden. – Es gibt auch Momente, in welchen wir unsere Lücken gerne mit echtem Wissen füllten. Nun gibt es da in China ein Problem: 1_Wir sprechen die Sprache nicht. Josephs Kenntnisse helfen uns zwar, unsere Grundbedürfnisse zu decken, für weitere Informationen fehlt das Vokabular oder die Übung. 2_Wir sind ohne ortskundige Leitung unterwegs, welche uns ab und an etwas Klärendes beisteuern könnte. 3_Wir haben keinen Zugang zu klärenden Enzyklopädien im Internet. WiFi ist überall vorhanden, der Zugang auf uns nützliche Seiten verwehrt. – So haben wir uns entschieden, die Leserinnen und Leser dieser Diary-Serie darüber aufzuklären, dass in diesem Blog mit Alternativen Fakten zu rechnen ist. Alternativ deshalb, weil sie für denjenigen, der die Erklärung abgibt, durchaus Wahrheitsgehalt hat. Alternativ auch, weil derjenige, der die Frage stellt, anschliessend erleichtert ist, eine Antwort gefunden zu haben. – Alternativ insbesondere deshalb, weil wir ahnen, dass es noch andere Möglichkeiten gibt. – … *und weil ZENSUR in diesem Land grossgeschrieben wird, verzichten wir an dieser Stelle auf die amerikanische Übersetzung.

 

 

 

In Yangshuo prägen der Li und die Karsthügel nicht nur die Landschaft, sondern auch unsere Aktivitäten. Wir erwandern den Mondhügel, welcher einen schönen Einblick in die mehrreihige Hügellandschaft bietet. Wir spazieren dem Li entlang und beobachten Arbeiten am und auf dem Fluss. Wir mieten einen Scooter und fahren in die nahe gelegenen Dörfer Fuli und Xingping, besuchen einen lokalen Markt, fahren (mit einer chinesischen Gruppe) auf dem Li, entdecken alt-alte Quartiere und essen leckere Gemüse, Tofu und Nudelsuppen. – Wir freuen uns über die Tatsache, dass wir uns so bewegen können, wie wir es uns vorstellen. Das Organisieren braucht manchmal ein bisschen Zeit, schliesslich klappt aber alles bestens. – Ein kulturelles Goodeli leisten wir uns am letzten Abend: Eine Lichtshow am Li. Was für die chinesischen Touristen in Luzern der Stadtkeller am Mittag, ist für die chinesischen Touristen in Yangshuo die Lichtshow am Li am Abend. Man stelle sich den Zuschauerraum Open Air Kino Alpenquai mal drei vor. Das Seebecken nicht mit einer Leinwand verdeckt; dafür Bühne für mehrere hundert Darsteller. Angeleuchtete Karsthügel im Hintergrund, ein Spektakel wie bei der Eröffnung von Olympischen Spielen (habe ich noch nie in voller Länge gesehen) auf und um den Fluss. Menschen treten fast ausschliesslich in Reih und Glied, zudem äusserst synchron und uniform auf. Für uns ein spannendes Spektakel aus zweierlei Gründen: 1_Wir verfolgen Licht, Show und Musik auf der Wasserbühne und staunen, welche Vielfalt geboten, mit welchen dramaturgischen Tricks gearbeitet wird. 2_Wir staunen über das Verhalten des Publikums, welches (bis auf ein einziges OH-Moment) die ganze Show durch plaudert, chattet und isst. Am Schluss der Veranstaltung ist unsere Verwunderung grenzenlos. Kaum Applaus für die Darsteller (obwohl sie sich vor dem Publikum verbeugen & verabschieden). Die Arena ist binnen fünf Minuten leer; Massenbewegung zu Bus und Auto ohne Hast und ohne Drängeln. – Die Interpretation der beiden Phänomene überlassen wir für einmal dem Leser; soll er sich doch üben im Erstellen von Alternativen Fakten.

 

 

 

Lichtshow am Li River

Landschaft am Li River

Alltag am Li River

Ping An Zhai Juli 2017

 

Die Busfahrt von Yangshuo nach Ping An dauert ein bisschen länger als gedacht. Rund vier Stunden brauchen wir, bis wir am Fusse der Reisterrassenhügel ankommen. Das Erklimmen der Hügel erfordert noch zwei weitere Kraftakte. 1_Der Busfahrer lässt uns auf einer Kreuzung aussteigen, … ein weiterer Bus lässt uns auf der Kreuzung stehen, … ein dritter nimmt uns schliesslich mit. Allerdings fährt er die sechs Kilometer mit extrem hohem Tempo. – Ich wollte ja schon immer gerne eine Ralley fahren; dieser Buschauffeur zeigt mir, wie es geht, allerdings ohne Copilot. Er kennt die Neigung und den Grad jeder einzelnen Kurve auswendig und fährt sie jeweils so an, dass ein Driften keine Überraschung wäre. – Sicher fühlen wir uns deshalb, weil es bergauf geht. 2_Am Parkplatz angekommen – etwas bleich im Gesicht und flau im Magen – werden wir von Einheimischen bezirzt, unsere Gepäckstücke abzugeben. An Flughäfen reagieren wir jeweils sehr bestimmt und lassen kaum Hand an unser Gepäck. Diesmal machen wir eine Ausnahme. Ob es an der hügeligen Landschaft oder dem Charme der Einheimischen liegt, ist nicht auszumachen. Jedenfalls tragen zwei Einheimische der Ethnie Zhuang unser Gepäck in unser Hotel. Stufe um Stufe um Stufe schlängelt sich der Weg die Reisterrassen hoch. Das Hinterherlaufen ist zweischneidig: einerseits ist es atem(be)raubend und andererseits höchst unangenehm. – Wenn jemand für mich in diesem Sinne Arbeit verrichtet, kann ich damit schlecht umgehen. Da hilft auch der Gedanke nicht, dass das Geld, was wir dafür bezahlen, für sie Lebensgrundlage ist. – Kennt ihr solche Situationen auch? – Schliesslich freuen wir uns über unser schnuckliges Zimmer mit kleinem Balkon, welches einen unheimlich schönen Blick auf die Reisterrassen freigibt. – Eine erste kurze Wanderung durch das Dorf und über die Reisterrassen geben uns einen Einblick in die unglaublich filigrane Struktur der Landschaft, v.a. arbeitsintensive Welt der Reisbauern. Steil abfallende Terrassen, teilweise nur mit drei Reihen Reishalmen gefüllt, strukturieren die Landschaft. Unterbrochen durch Bambuswälder und Lotusbepflanzungen. Wir sind begeistert und folgen den diversen Wegen durch die Terrassen. Je näher der Abend, desto schöner das Licht. Phänomenal.

 

Wir bewegen uns in drei Minoritäten-Ethnien: den Yao, den Zhuang und den Dong. Yuo-Frauen tragen ihr Haar gaaaaaaaanz lang und knoten es (ev. mit Hilfe von Echthaarteilen) wie ein Turban auf den Kopf. Ihre Tracht ist schwarz; sie tragen Silberschmuck. Die Zhuang-Frauen tragen weisse, bestickte Blusen, dunkle, ebenfalls bestickte Hosen und ein Frotteetuch auf dem Kopf.

 

Anmerkung: Das Frotteetuch auf dem Kopf trafen wir schon in verschiedenen Kulturen und Ethnien an. So zum Beispiel in Myanmar, Vietnam, Laos … und nicht zuletzt im Onsen in Japan – Ab und an schleicht sich dieser Brauch auch in der Habsburgerstrasse ein. – Von nun an mit höchst erhobenem Haupt.

 

Die Dong werden wir im Verlauf unserer Reise noch näher kennen lernen.

 

Einen weiteren Tag in den Reisterrassen verbringen wir im Nachbardorf Dazhai (Yuo). Mit ÖV - wir werden langsam Profis im Umsteigen auf Kreuzungen - gelangen wir zum Dorf, profitieren von der aufstrebenden Tourismusinstallation Luftseilbahn und erklimmen den höchsten Gipfel in einer ultraleichten Gondelkabine. Da diese beim Ein- und Aussteigen nicht vom Seil genommen wird, sehen wir beim gehetzten Einstieg ziemlich alt aus. Die Fahrt über die Terrassen und die Bambuswäldchen lohnt sich allemal. Umso mehr, als dass wir anschliessend ein grosses Terrassengebiet um uns haben, welches wir erkunden können. – Dazhai wird in den kommenden Jahren extrem touristisch werden; das zeigt einmal mehr die Infrastruktur: Strassen, Hotels, Häuser, Läden etc. werden gebaut. – Zurück in Ping An fühlt es sich heimelig an; das Dorf ist geprägt vom Leben der Einheimischen, im Einklang mit den Touristen und den Reisterrassen.

 

 

 

Wir bewegen uns also im Gebiet der seit hunderten von Jahren existierenden Reisterrassen von Longji. Erst 1990 und später wurden sie bekannt, als ein chinesischer Fotograf in diese Gegend zog; … die Gegend bekannt machte. – Wenn wir an einem weiteren Tag nun eine Wanderung von Ping An nach Dazhai machen, erwarten wir eine Höhenwanderung in den Terrassen. Bei Höhenwanderung denke ich an zwei Kategorien: 1_Wir steigen auf eine gewisse Höhe auf und folgen anschliessend dem Grat / Kamm / … und steigen wieder ab. 2_Wir steigen auf … und ab… und auf… und ab… - Schliesslich erleben wir einen Mix. Nach einem frühmorgendlichen Aufstieg (erstes Morgenlicht auf den Reishalmen!) folgen wir in einem auf… und ab… und auf … und ab dem Trampelpfad der Einheimischen Yao. Wir passieren grosses hügeliges Gelände, welches offensichtlich als Ruhestätte der Verstorbenen dient. Schliesslich führt unser Weg auf … und ab… und auf zu einem Dorf. Danach geniessen wir die Kategorie 1: Mitten durch die Reisterrassen; auf Augenhöhe mit den Stufen, Symmetrien und Strukturen grün in grün wandeln wir dem zweiten Dorf entgegen. – Beschilderungen gibt es auf diesem Weg äusserst spärlich, dafür zeigen die Einheimischen immer wieder in die Richtung, in die wir gehen wollen. – Dass die Wanderung nicht ausgeschildert ist, hat auch seine Erklärung: Die Yuo bieten sich sehr gerne als Guide an… oder möchten uns (auch morgens früh um 8.00 Uhr) zum Essen «einladen». Hinter jeder charmanten Geste lauert ein kleines Business. Für uns ist es amüsant, wenden wir doch mittlerweile Josephs gelernte Vokabeln spielerisch an «wo men you bu e / wir haben keinen hunger». Eigentlich bräuchten wir noch viel mehr Phrasen, wie «wir brauchen keinen silberschmuck», «wir kaufen keine kissenbezüge», «wir schreiben keine postkarten», etc. – Wenn es Abend wird im Dorf der Zhuang, beginnen die Holzfeuer zu brennen, vermischen sich die Gerüche von frischen Gräsern und Kräutern mit scharf-scharf gewürztem Essen. Wenn es Abend wird, setzen wir uns auf den Balkon und beobachten die letzten Arbeiten in den Reisfeldern. – Wenn es Nacht wird, kommen die beeindruckenden Bilder des Tages wieder hoch: grün-grün, Symmetrien & Strukturen, Einheimische am Arbeiten, … das frühmorgendliche Schlachten eines Schweines. Genau. Ich wusste, dass mir ein Erlebnis noch ziemlich zusetzte, als ich noch nüchtern die Reisterrassen erklomm.

 

 

 

Reisterrassen Longji

Ethnien: Zhaung & Yao

Dongdörfer Chengyang & Zhaoxhing Juli 2917

 

Anmerkung: Wetter? - Findet nach wie vor statt! Meist sonnig und sehr warm (30+) und äusserst feucht. Seit Yangshuo kaum mehr Regengüsse. – Optimal für die Haut, optimal für stechende Fleucher! – Da meine Blutgruppe in Asien (zumindest in Japan sicher) eine Seltenheit ist, scheinen sich die Mücken über jeden Leckerbissen zu freuen. Soooo verstochene Beine sind nicht nur nicht schön, sie bringen auch schlaflose Nächte. – Weisheit des Tages (ohne Konfuzius zu bemühen): «Mir läuft der Schweiss, ohne etwas zu tun.» - «Dann können wir ja ebenso gut was tun!»

 

 

 

Eine Busfahrt nach Sanjiang; eine Kleinstadt der Provinz Guangxi. Wir sind froh, dass wir sie gleich wieder verlassen, nach den weitläufigen, oft auch menschenleeren Reisterrassen & Dörfern in den Bergen überfordert uns Sanjiang beim blossen Durchfahren. – Unser Ziel: Cheng Yang, eine Sammlung von acht traditionellen Dörfern der Dong. Sie liegen nebeneinander, sind durch Fluss und Reisfelder getrennt, durch Fusswege und kleine Strasse verbunden. Nebst der speziellen Architektur der Holzlanghäuser und Glockentürme (jeweils ohne Nagel gebaut), erleben wir die Landschaft als bezaubernd und malerisch: Reisfelder gepaart mit Teeplantagen; diese Kombination haben wir noch nie gesehen. – Was in Luzern die Kappellbrücke, ist in Guangxi die Cheng Yang-Brücke. Viele chinesische Touristen besuchen den Ort, überqueren die Brücke auf einer Tagestour. So füllt es einige der Dörfer während des Tages; am Morgen und ab der Dämmerung gehören die Dörfer den einheimischen Dong. Da wir während des Tages v.a. im Umland (bergauf…. bergab….bergauf…) unterwegs sind, kommen wir dann in die Dörfer, wenn die Einheimischen sie beleben. So werden wir zum Beispiel in einem Dorf zu einem Essen eingeladen (9.00 Uhr morgens, unser zweites Frühstück). Da müssen wir allerhand probieren, Joseph diverse Male mit Bier anstossen. Den Anlass der Feier finden wir leider nicht heraus. – Die «Glockentürme» sind Versammlungsorte der jeweiligen Dörfer. Insbesondere ältere Männer verbringen den Tag im Innern des Turmes. Die Familien gesellen sich abends dazu, wenn sie auf dem Dorfplatz gemeinsam grillen und essen. Das Gesellschaftsleben scheint das Lebenselixier der Bewohner zu sein. So viele Bauten, Plätze und extra angelegte Bänke bieten Begegnungsmöglichkeiten. Sie werden auch rege genutzt, und sei es, am Abend am Fluss gemeinsam zu fischen… oder zuzuschauen, wie andere fischen, Wasser holen, Gemüse putzen, etc.

 

Anmerkung: Es ist mehr als Neugierde, welche sich bemerkbar macht, wenn wir die Glockentürme betreten, uns zu den alten Einheimischen setzen… uns mit ihnen «unterhalten». An der Wand in der Mitte, Mao in seinen jungen Jahren; rechts, der chinesische Präsident mit Gattin. - Die Begegnungen sind offen und herzlich. – Interessiert wären wir an den Geschichten dieser Generationen. Was haben genau diese chinesischen Männer in den letzten 50 bis 60 Jahren (mit ihren Familien) erlebt? Welche Umwälzungen haben sie wie bewältigt? Wo und inwiefern waren sie aktiv, respektive passiv? Erlebten sie als Zugehörige der Ethnie Dong die geschichtlichen Ereignisse in China gleichermassen? – Zeitzeugen einer äusserst ereignisreichen Epoche.

 

Wir sind nun also so weit in das ländliche China vorgestossen, dass wir mittlerweile die einzigen Langnasen sind. Die Orte, die wir aufsuchen, bieten eine touristische Infrastruktur. Sie sind mit ÖV erreichbar, haben Übernachtungsmöglichkeiten und schildern gewisse Informationen aus. Uns fällt nicht so sehr auf, dass wir keine anderen Langnasen sehen, vielmehr fällt uns auf, dass wir auffallen. So werden wir in Gespräche verwickelt, auf Gruppenfotos abgelichtet, mutig angesprochen, jedenfalls immer lächelnd begrüsst. – Das ändert sich auch nicht, wenn wir den Ort wieder verlassen, mittels Hochgeschwindigkeitszug in die nächste Provinz düsen und uns dort in das Dongdorf Zhaoxing begeben. Dieses ist nun wesentlich grösser und verfügt über die bessere Infrastruktur, bleibt aber chinesisch touristisch. Wiederum werden wir Beobachter eines eigendynamischen Lebens der Dong.

 

Die Vielfalt der traditionellen Kleidung der Dong ist nicht nur Wetterschutz und Dekoration, sie hat auch soziale Aussagekraft. So zeigt sie z.B. an, ob eine Frau verheiratet ist, ob sie Geld besitzt und über welche Web- und Stickfähigkeit sie verfügt. Viele Frauen in der Dong-Region weben ihre Hanf- und Baumwollstoffe selbst. Wenn Reis und Tee die Haupteinnahmequelle der Dong in Cheng Yang bilden, sind es Reis und Indigostoffe in Zhaoxing. Das Fermentieren der eigenen Indigopaste, das Färben der Stoffe gehören zu den Alltagsarbeiten in Zhaoxing. Wenn wir dem Fluss entlang spazieren, die Holzlanghäuser rechts und links liegend, steigen uns unterschiedlichste Düfte und Gerüche in die Nase. Die grossen Plastikbottiche gefüllt mit fermentierenden Pflanzen verströmen einen eigenen Geruch. Das Parfum von Patrick Süsskind lässt grüssen. Wer schon mal Indigokleider getragen hat, kann die folgende Tatsache gut nachvollziehen: Dong-Frauen besuchen bei Regen kaum Feste, da sie fürchten, dass ihre Farbe aus den Stoffen auslaufen könnte. - Einmal mehr nehmen wir wahr, wie viel Arbeit in Frauenhand liegt. Der Reisanbau ist geschlechtlich gleich aufgeteilt. Körperarbeit auf dem Bau: Frauensache, Feinarbeiten: Männersache. Haus und Hof, Kinder, Tee, Wasser holen, frisches Gras für Tiere holen, Markt: Frauensache. - … und dies, obwohl in China mehr Männer leben. Junge Männer haben sich auf jegliche Arbeiten mit motorisiertem Untersatz spezialisiert.

 

Anmerkung: Die offenen und in den Dörfern auch herzlichen Begegnungen ziehen sich wie ein roter Faden durch unsere Reise. Unser verletzlichster Punkt: das Organisieren der Busse, Züge, Fahrpläne etc. Umso mehr fällt uns auf, wie viel Unterstützung und Hilfe wir kriegen. Von Busfahrern, über Passagiere, zu Hotelangestellten, … wir erfahren Rat und Tat zu jeder Zeit.

 

Tee & Reis

Dörfer

 

EXKURS_CHINESISCH ESSEN

 

Dieses Thema lässt sich kaum umfassend in einem Exkurs beschreiben. Vielmehr füllt chinesisches Essen, respektive Chinesen und Essen Bände. – Für Anekdoten sollte das Format allerdings passen.

 

Wie bereits erwähnt, bilden Früchte, Gemüse, Tofu, Reis und ab und an Rind- oder Hühnerfleisch die Basis unserer Ernährung. Gepaart mit einer Nudelsuppe macht das doch schon fast einen chinesischen Speiseplan aus. 1_FAST; wenn wir uns an die verschiedenen kleinen und grossen Marktszenen erinnern, muss da noch einiges mehr auf dem einheimischen Tisch landen. 2_FAST; wir essen nur dreimal täglich; unser Eindruck ist, dass man hierzulande immer und überall isst. 3_FAST; es gibt Ausnahmen. Letztere basiert auf einem Verständigungsproblem oder einem wesentlichen Kulturunterschied: Jedenfalls begeben wir uns in ein kleines Familienrestaurant. Die Speisekarte einmal mehr ausschliesslich chinesisch. Kein Problem; denn Gemüse (ok), Reis (ok) und Huhn (Huhn?), ja Huhn (Huhn?). Wenn die Aussprache/Intonation nicht passen will, … das Pantomimenspiel nicht erfolgreich ist, … arbeiten wir mit dem Bilderlexikon. Wir zeigen das abgebildete Federvieh (ok). Na endlich! Wir vertiefen uns in ein Gespräch und freuen uns auf eine leckere Mahlzeit. – 15 Minuten später erscheint die Tochter wieder und lässt per Handyübersetzung fragen, wie wir denn gerne das Huhn hätten. Sowohl Intonation, wie auch Pantomime sind zwecklos, Joseph geht mit in die Küche, um den WOK ausfindig zu machen. Am Boden kniet der Vater und rupft ein eben geschlachtetes Huhn! – Wir haben bis jetzt schon immer lange auf das Essen gewartet, es wird jeweils frisch-frisch zubereitet. WIE frisch es aber in Wirklichkeit sein kann, wollten wir uns bis anhin nicht vorstellen. – Die Tochter ist immer noch beunruhigt. Wir verhandeln verbal und nonverbal weiter, bis wir herausfinden, dass das Bildlexikon einen Hahn (!) abbildet, nicht ein (eben geschlachtetes) Huhn. Wir wollen uns wieder unserem Gespräch zuwenden, da stellt sich die Grossmama neben unseren Tisch, schnappt sich das Buch und blättert es kommentierend durch. Gewisse Bilder scheint sie zu kennen, andere sind ihr komplett fremd. Bei den Tieren kommt Bewegung in die Szene. Sie lehrt uns die Tiernamen (einige sind uns schon bekannt) … und ahmt jedes Tier nach. Ein Schauspiel sondergleichen! Wir können uns sogar die Chinesischen Tierzeichen sagen! – Ihre Reaktion, echt filmreif! – Endlich kommt das Gemüse und der Reis, schliesslich auch das Huhn. Zwei (!) Teller gefüllt mit Stückchen (Haut, Fleisch & Knochen), zuoberst schön präsentiert, die Hühnerfüsse, eine Delikatesse. – Nun ist unsere Reaktion filmreif.

 

 

 

Menschen

 

EXKURS_ÜBERSCHWEMMUNGEN

 

Erwähnten wir den Bauboom in einem früheren Exkurs, kommt jetzt noch eine zusammenhängende Komponente dazu: die Erdrutsche. Eine Woche vor unserer Ankunft in Cheng Yang überflutete die Lebensader der Dörfer wertvolles Kulturland, schwemmte Schlamm in Reisfelder und Teeplantagen, unterspülte Wege und Häuser und bewirkte heftigste Erdrutsche. – Bereits auf der Reise (und auch in Ping An) fielen uns die überaus zahlreichen Hangrutsche auf. In der Region um Sanjiang wurde es offensichtlich. Eine grosse Verwüstung für die Dorfgemeinschaft, unendlich viel Wiederaufbauarbeit zu tun. – Was hat das mit dem Bauboom zu tun? Sehr viel. Wie bei uns werden neuere Bauten an Hänge gebaut, welche selten langfristig gesichert werden.

 

 

 

EXKURS_GLOBALISIERUNG

 

Die Globalisierung macht vor den ländlichsten Gegenden in China nicht halt. – Oder ist es nicht eher so, dass die Globalisierung von China ausgeht? Schliesslich werden ja praktisch alle Konsumgüter irgendwie in China hergestellt. – Was uns diesbezüglich auffällt, wie homogen, respektive uniform gewisse Verhalten sind. Einige Beispiele gefällig? 1_Grosses Handy mit verzierter Hülle in der Hosentasche und / oder vor der Nase, so dass das Gefühl von langer Weile nie eine echte Chance bekommt. 2_Fernsehgeräte laufen in diversen Zimmern ganztags. 3_Kinder werden mit TV oder (shooting) games ruhig gestellt; z.T auch morgens vor der Schule. 4_Mode; z.B. blau gestreifte Shirts oder schwarze Taille betonte Hosen etc. finden wir in den hintersten Winkeln wieder. 5_Coole Jungs mit coolen Frisuren und gelangweilten Gesichtern. 6_Etc.

 

 

 

Fenghuang Juli 2017

 

Anmerkung: Die chinesische Währung heisst Yuan (CNY). Wir teilen die Beträge durch sieben, um auf einen ungefähren Betrag in CHF zu kommen. Eine Flasche Wasser kostet zwei bis drei Yuan, eine kurze Taxistrecke zehn. Wir brauchen also Bargeld. Hotels können wir z.T. mit Karte bezahlen, teils auch nicht. – (Alle!) Chinesen bezahlen mittels Smartphone. Die neue Generation Chinas kennt keine Karten (und Kartenlesegeräte) mehr, sie bezahlen mittels QR-Code und Smartphone. Jede Kasse verfügt über einen QR-Code. Der Kunde scannt diesen, gibt den Betrag ein und zeigt die Abbuchung dem Verkäufer. – Voilà! – Zwei Glacé für Y15!

 

Fenghuang erreichen wir nach einem Reisetag mit Hochgeschwindigkeitszug und Bus. Wir legen rund 600 km mit dem Superschnellzug zurück. Er funktioniert wie in Japan und ist ein höchst angenehmes Verkehrsmittel. Unsere höchst gefahrene Geschwindigkeit liegt bei 297 km/h. – Ab Huaihua wird es gemütlicher: zwei Stunden Überlandbus bei knapp 40 Grad.

 

Fenghuang (Provinz Guizhou), ambivalentes Erlebnis Nummer eins. Eine dem Fluss entlang gezogene, mit vielen Holzbrücken und den Fluss querende Steinpfählen versehene Altstadt. Sehr gepflegt, sehr belebt. – Eine chinesisch massentouristisch hoch frequentierte Stadt, insbesondere der Stadtteil um eine besondere Holzbrücke. Gruppen bis zu 50 Touristen geführt mit Fahne und Mikrophon eilen durch die Attraktionen. In diesem Teil säumen sich gleichende Souvenirläden die Gassen, abwechselnd mit den bereits beschriebenen (einsamen) live-Bars. Ein Riesentheater auf kleinem Raum. – Selbstverständlich schiebt es uns in den Rummel…, allerdings nur einmal. Danach meiden wir diese Region und entdecken so coole, authentische und einsame Teile der Stadt. Trotz der Grösse der Stadt finden auch hier wieder herzliche Begegnungen statt. Insbesondere ältere Menschen sprechen Joseph auf sein Alter an; graues Haar ist in China nicht verbreitet. Oft zeigen sie auf ihre kahlen Stellen am Kopf und nennen uns ihr Alter. – Wir wohnen in der Altstadt; allerdings in der zweiten Reihe und (zum Glück) nicht am Hauptschauplatz. Am Morgen werden wir von Musik geweckt. Nein, kein Iman; in Asien erklingen unterschiedlichste Melodien zu verschiedensten Gelegenheiten. So kenne ich aus Japan die Melodie für den Gasmann, den Tofumann, die Müllmänner, etc. - In der Schweiz kann ich hingegen die Feuerwehr nicht vom Krankenauto unterscheiden; dafür kenne ich die Spielweise des Rumänen vor dem gegenüberliegenden Coop auswendig. – Auch in China gibt es Melodien für den Melonenmann und den Postboten. Jedenfalls ist diese Morgenmusik anders; es sind ca. fünfzehn Frauen, welche in unserer Gasse Tai Chi üben. Einerseits turnen sie ganze Übungen durch, andererseits feilen sie an gewissen Passagen. Ihre Lehrerin ist forsch und fordert Genauigkeit. Die Frauen üben unterschiedlich gewissenhaft … und lachen (einander) herzhaft (aus), wenn es einer einfach nicht gelingen will. Jedenfalls geniessen wir den gelungenen Einstieg in den Tag.

 

Anmerkung: Das Ambivalente schleicht sich bei der malerischen Tai Chi-Szene dann ein, wenn eine riesige chinesische Touristengruppe mitten (!) durch die Reihen geht. Die Besucher nehmen keine Rücksicht auf die turnenden Frauen, sondern latschen – dem Fähnchen blind und abgestumpft folgend – durch die Gasse.

 

 

 

Zwei weitere Phänomene fallen uns in dieser Stadt auf: 1_Auch in der Kleinstadt hat jeder und jede sein eigenes kleines Business. Die Wirtschaftsgeschichte dieses Landes ist ja auch eine eigene. Fakt ist, dass jede / jeder sein eigenes Geschäft, seinen Laden führen, seinem Beruf nachgehen kann. Angebot und Nachfrage. – Ob dies bei den Souvenirläden auch der Fall ist, bleibt offen. Ich kann mir nicht vorstellen, wer all die ad hoc produzierten Sesamguetzli essen soll. – 2_Und dann wird alles aufgezeichnet! Wenn ich mich bei chinesischen Touristen frage, wer all die Selfies anschauen soll, die während eines Tages entstehen; so frage ich mich erst recht, wer all die Videocams überprüft, welche den Alltag des chinesischen Bürgers aufzeichnen. Unvorstellbar, an welchen Orten Kameras stehen!

 

 

 

Tai chi Morgentraining

Zhangjiajie - Avatarland Juli 2017

 

Zhangjiajie (Provinz Hunan), ambivalentes Erlebnis Nummer zwei. Eine Fläche von 269 km2 Nationalpark, 3103 Sandsteinsäulen gesäumt von einem Hochplateau. Das Gebiet gut vermarktet, sehr gut organisiert, beste Infrastruktur. – Eine chinesisch massentouristisch höchst (!!) frequentierte Stadt, 60 Mio Touristen besuchen Zhangjiajie jährlich! – Was 1982 als harmloser schützenswerter Raum startete, ist heute die Nummer 1-Destination in China. – Wo vor dreissig Jahren die Tujia ihr karges Ein- und Auskommen hatten, herrscht heute Wohlstand und städtisches Leben. Die Stadt hatte vor 25 Jahren rund 3.000 Einwohner; heute sind es 1.1.Mio! - Wie kam es dazu? Eine Tuschezeichnung war ausschlaggebend, dass der chinesische Picasso, Wuguanzhong, die Gegend mittels Pinsel im ganzen Land bekannt machte. Ein vager Tourismus war die Folge. Seit der Jahrtausendwende ist es immer mehr Chinesen möglich zu reisen. Bevor sie sich eine Auslandreise leisten (können), reisen sie zu ihren Topdestinationen. So mauserte sich Zhangjiajie zu einem Touristenziel. Der Film Avatar (2009) schliesslich brachte den letzten Boost. James Camerons Crew filmte die Sandsteinsäulen mittels Drohnen und animierte diese schliesslich im Studio.

 

Die Ambivalenz liegt nun also auf der Hand: Ein wunderschönes Stück Natur auf zwei Ebenen, zum Glück nicht (an)zufassen, wird völlig getaktet und für den grossen chinesischen Tourismus getrimmt. – In Perfektion werden Skywalks, Hängebrücken, Plattformen, Toiletten, Shuttlebusse, Verpflegungsstände etc. bereit gestellt. Alle Wege sind mit Steinplatten ausgelegt, die Geländer (künstlich) der Natur nah. – Wir geniessen die Aussichten, freuen uns ob der Einsamkeit beim Sonnenuntergang … und -aufgang, versuchen uns einzureden, dass uns der grosse Rummel nichts ausmacht... und müssen schliesslich einsehen, dass er uns doch extrem stresst. Zweieinhalb Tage sind wir mit einem lokalen Führer unterwegs, erfahren unheimlich viel, schleichen vermeintlich versteckte Plätze an, versuchen den gross-grossen Rummel zu umgehen. Dennoch sind wir schliesslich extrem erschöpft. Die 40 Grad plus, die langen Wanderungen, die Eindrücke, das können wir alles gut einordnen; es sind die Massen, welche uns begegnen, in welchen wir uns zeitweise bewegen, welche uns echt zu schaffen machen. Köpfe, Füsse, Körper, Stimmen, Smartphones, lautes Reden, Mikrophone, Essen zu jeder Zeit, volle Busse, schubsen beim Einsteigen, schubsen beim Aussteigen, Fähnchen folgen, … keine individuelle Entscheidung, kein Raum für das eigene ICH.

 

Anmerkung: Die Gespräche mit unserem lokalen Führer werden thematisch immer spannender. Auf unsere Fragen antwortet er stets offen, auch informiert und interessiert. Er gibt uns die Antworten, welche wir zu erwarten hatten. – Aus diesen und aus den oben geschilderten Erlebnissen ergibt sich für mich ein Bild, welches ich aus meiner bisherigen Perspektive nicht kannte. In grossen Gruppen (z.T. mit Einsatz der Ellenbogen) dem Fähnchen blind folgend, die eigentlichen Vorgänge rundherum kaum wahrnehmend, wartend, bis der nächste Sightseeing Spot angekündigt und zum Selfie freigegeben wird, … Selber denken, eher schwierig. Seinen eigenen Weg suchen, nicht vorgesehen. Gegen den Strom schwimmen, nicht möglich. – Aus Reportagen und anderen Medien wissen wir jedoch, dass dies nicht so sein kann, schaut man sich die Entwicklung des Landes in der jüngsten Zeit, die Innovationsfreude der jungen Generation an.

 

Menschen

Essen

 

EXKURS_AUSLÄNDER

 

1_Wie findet ein Auswärtiger das Zentrum einer chinesischen Stadt? – McDonalds oder KFC! Dem ist so. – 2_Was passiert, wenn sich zwei Langnasen in ein Einkaufszentrum verirren? – Viele lächelnde Blicke, unzählige Kaufangebote, unendlich grosse Neugierde. Auf der Suche nach Kosmetika kommt Fahrt auf. Drei Frauen umschwärmen uns mit Produkten: Peeling, Masken, Tonique, etc. Lustig, alle Produkte haben Bleichmittel drin und versprechen, die Haut ja nicht zu bräunen. – Unterschiedlicher können Vorstellungen nicht sein. – Die Lebensmittelabteilung ist ebenso interessant. Hier werden wir zwar nicht bezirzt, aber ziemlich gefordert, was das offene Angebot betrifft. Hühnerfüsse frisch und gefroren, Innereien und Fisch auf jegliche Art zubereitet. Was uns erstaunt, die grosse Vielfalt an Getreide, Reis etc. Alles offen aufgehäuft; beim Mehlberg bin ich versucht zu niessen! – 3_Erzählen wir, dass in der Schweiz 8.5 Mio Einwohner leben, werden wir von den Chinesen erstaunt gefragt, ob sich denn jeder kenne in der Schweiz. – 4_Wie angelt Mann sich in China (auf dem Land) eine Frau? Auf 117 Männer kommen 100 Frauen. – Mann singt! Singen statt flirten. Wer gut singen, die Frau verbal und mit geschickten Metaphern beeindrucken kann, ist auf gutem Wege. Das Aussehen spiele eine sekundäre Rolle. – Wir fragen uns, ob das Smartphone, die Uhr und das Auto in den Songtexten Platz finden.

 

 

 

 

 

Shanghai Juli 2017

Architektur

 

Wenn singen nicht hilft, gibt es am Samstagabend einen Vermittlungsmarkt im Volkspark in Shanghais Zentrum. Aufgespannte Schirme mit Zetteln säumen die Parkwege, dahinter hocken vorwiegend 50 – 60-jährige Mütter. Menschen schlendern den Schirmen entlang, lesen die Angebote. Ihre Mimik verrät verhaltenes Interesse, jedoch immer auf dem Sprung, ein Schnäppchen zu erhaschen. An Frühlingsmessen, wie z.B. der LUGA, lassen sich ähnliche Verhalten beobachten. – Unsere Szene zeigt die analoge chinesische Partnervermittlung. Eckdaten sind auf dem Blatt. Zeigt jemand Interesse, entstehen z.T. fast debattierende Gespräche; Menschentrauben bilden sich dort, wo debattiert wird. Ist ein Jüngling vor Ort, beobachten wir peinlich berührte Szenen. Oft werden Bilder auf dem Smartphone herumgereicht; … dem Gaul ins Maul schauen, kann man jedoch selbst auf diesem Markt nicht. – Aus anderen Quellen wissen wir, dass viele städtische junge Frauen es vorziehen, das Leben als Single zu bestreiten. Sie können Karriere machen / ihren Job ausüben und sie brauchen den (erwarteten) Service nicht zu leisten.

 

 

 

Eindrücke: 1_Shanghai Airport empfängt uns mit unzähligen überdimensional grossen Leuchtpostern. Abgebildet, die Kappellbrücke Luzern, CF Bucherer macht Werbung. – Willkommen in Shanghai, auch das ist China. – 2_Nach Mitternacht fahren wir vom Flughafen Pudong in die City. Eine nächtliche Fahrt in Richtung Shanghai Zentrum. Sleepless & amazing. – Wir wohnen hinter dem Bund, der historischen Promenade von Shanghai. 3_Erkundungstour führt auf die dem Bund gegenüberliegende Seite Pudong. Die berühmte Skyline Shanghais ist ein architektonisches und finanztechnisches Produkt jüngster Zeit, der Shanghai Tower mit seinen 546 m und 118 Stockwerken zur Zeit der höchste Turm in China. Ganz oben, die Aussichtsplattform. Ein eindrückliches Eintauchen in die grosse, aber charmante Metropole. – 4_Die Stadt zu Fuss und mit der Metro zu erkunden, den grossen Massen auszuweichen, ist nicht schwierig, den Kontrast einfaches Leben (vgl. das geschilderte Leben auf dem Land) vs. das ultramondäne Luxusleben einiger Chinesen zu finden, auch nicht. Wir streunen durch die Strassen und Parks, kühlen uns in einem Café ab und geniessen das Grossstadttreiben beobachtend und verinnerlichend. - 5_Am Abend herrscht in der überhitzten Stadt Hochbetrieb. Alles handelt, isst, spielt, plaudert, trifft sich auf der Strasse. Von Musik angezogen, landen wir an einer mit Platanen gesäumten Strasse. In mindestens vier Abschnitten erklingen vier verschiedene Musikstile. Paare jeglichen Alters bewegen sich tanzend im Kreis. Die Tanzschritte sind unseren nicht zuzuordnen, doch,… ein Discoswing ganz am Schluss. Wir beobachten, werden zum Tanz aufgefordert und tanzen. Ausgelassene Stimmung rundum; wir mittendrin. 6_Ohne Rolf, aber durch & mit Jonas & Pia wird uns ein unvergesslicher Eindruck in das legendäre und geschichtsträchtige Swatch Art Peace Hotel am Bund gewährt. In Hayeks Besitz, zwei Stockwerke für 13 internationale Künstlerinnen und Künstler bereit, darüber Suiten für VIP. So dürfen wir nicht nur die extrem komfortablen Zimmer / Ateliers der Künstler, sondern auch ausgewählte Suiten der VIPs besichtigen. – Beeindruckend, dass Hayek & Co beiden Seiten in gleichen Massen Respekt und Gastrecht bietet.

 

EXKURS_TEA PARTY

 

Mindestens drei Interpretationen (ohne Alternative Fakten): TEA PARTY kennen wir vom Geschichtsunterricht. Die Bostoner Tea Party als Start des Aufstands der Amerikanischen Bevölkerung gegen den Britischen König George. – TEA PARTY in der jüngsten Geschichte Amerikas. Im Wahlkampf für die zweite Amtsperiode Barak Obamas erlebte sie Renaissance und zeigte ihr wahres Gesicht. – TEA PARTY gibt es auch in China; allerdings klar unpolitisch, dafür höchst betrügerisch. Die als einladend wirkende und harmlos formulierte TEA CEREMONY entwickelt sich als Falle, sobald der nichts ahnende Tourist mit seinem eben kennen gelernten Einheimischen den Teeladen betritt… und einige Teesorten später die horrend hohe Rechnung bekommt.

 

Anmerkung: Während der vergangenen Wochen hatten wir verschiedene Möglichkeiten, chinesischen Charme zu entwickeln … und anzuwenden. Beispiele: 1_Wie von zuverlässigen Quellen empfohlen, möchten wir auf der Poststelle unsere Zugtickets vorzeitig reservieren / kaufen. Die Frau am Pult (kein Schalter) reagiert dezidiert mit NO! Wir reagieren (ebenso dezidiert) mit DOCH! Von da an reden wir entweder nur noch Mundart** - die Intonation verrät die Dringlichkeit unseres Anliegens – oder in englischen Einwortsätzen. Es wirkt! – 2_Auf dem Bahnhof des Hochgeschwindigkeitszuges geht es zu und her wie auf einem Flughafen. Personen- und Gepäckkontrollen, Personen- und Ausweiskontrollen etc. Einmal in der Waiting Area (entspricht dem Gate), ist es nicht vorgesehen, diese wieder zu verlassen. Der Verantwortliche hört geduldig zu, gibt mir aber zu verstehen, dass ich ein neues Ticket kaufen müsse, wenn ich den Raum verlassen… und ihn wieder betreten möchte. Die Code-Pantomime zu diesem Problem heisst ESSEN. Kein Chinese kann es verantworten, dass jemand keine Nudelsuppe bekommt. – 3_** Mundart reden ist eh das einfachste Mittel, wenn jegliche andere Kommunikationswege ins Leere führen. Jeder in seiner Sprache, jeweils auf den Tonfall des anderen achtend, … erschliesst zwar kaum den Sinn des Gesagten, wohl aber die Absicht, einen eventuellen Gedanken. Dazu Alternative Fakten….

 

A propos ESSEN: Junge Shanghaier würden sich mit Chile ma? - Chile – Hesch gässe? – Ha gässe. begrüssen. Der Vergleich mit dem francophonen Ca va?- Ca va. Liegt auf der Hand, … ist aber auf der Maslowschen Bedürfnispyramide deutlich anders gelagert. … oder aber die feine Gourmetnase ist feiner, die Wichtigkeit von Essen ausgeprägter.

 

 

 

 

 

Leben

Xiapu Fujian August 2017

Landschaft in Strukturen

Xiapu August 2017

 

Xiapu (Provinz Fujian) liegt am Meer… und ist wegen seiner Meeresfrüchte und Algenzucht bekannt. Die marinen Produkte (Jakobsmuscheln, Algen, Seegurken, Krebse und Crevetten) werden im ganzen Land verkauft. – Uns interessiert alles drum herum; Josephs Interesse gilt v.a. den Installationen, welche für die Gewinnung der Produkte bereitgestellt werden, … welche in der Landschaft faszinierende Strukturen bilden. – Sein Auge braucht dementsprechend die richtigen Plätze zur richtigen Zeit… und richtiges Licht. Die ersten beiden Bestandteile lassen sich mehr oder weniger im Voraus planen und organisieren, … das Licht hingegen nicht. – Wenn wir nach vier Tagen im Gebiet zurück-… und die bildnerischen Kompositionen anschauen, dann dürfen wir sagen, haben wir Glück gehabt. Schliesslich spielten die drei Komponenten immer wieder und gegen Schluss umso mehr bestens zusammen. Das hätten wir einige wenige Tage vorher nicht vermuten können.

 

Die Rahmengeschichte: Einige Tage vor unserem Flug erreicht uns eine Taifunmeldung. Es könnte sein, dass die Region Xiapu von einem Taifun heimgesucht, die ganze Reise in diesem Gebiet ins knöcheltiefe Wasser fallen würde. – Tatsächlich wird unser Flug am Abreisetag gecancelt; wir wettern also in Shanghai ab (es gibt unpassendere Orte zum Abwettern). Am zweiten Tag sind wir umso erstaunter, dass unser Flug durchgeführt wird. Bis wir im Flieger sitzen, rechnen wir damit, wieder auf die Strasse gesetzt zu werden. – Flugstart, alles gut. – Nach einer Stunde die Meldung, der Flieger könne nicht landen, Taifun in Fouzhou; unser Zielflughafen. – Nach einer mit Turbulenzen durchzogenen halben Stunde landen wir. Lange chinesische Ansagen, auf Englisch: Welcome to the destination.Destination heisst in diesem Fall Wenzhou. Was sich namentlich nur am Anfang unterscheidet, ist in Wirklichkeit 300 km auseinander. Unser eigentliches Ziel Xiapu liegt so ziemlich in der Mitte. – Niemand weiss, wie und ob es weitergeht. Wir erkundigen uns nach Zugsverbindungen… und sehen, dass drei Passagiere austeigen. Kurzentschlossen machen wir das auch. Unser eingechecktes Gepäck würde nach einer Stunde am Check in 1 abzuholen sein. – Ladeluke runter, nasse Füsse auf dem Flugfeld, Ladeluke hoch. – Kalte Füsse ob unseres Entscheides bekommen wir erst, als wir uns überlegen, wie die wohl unser Gepäck aus dem Flugzeug friemeln wollen. Bleiben wir nun in Wenzhou und unser Gepäck fliegt nach Fouzhou? – Eine bange Stunde vor dem Check in-Schalter 1. Zusammen mit einem Amerikaner (volunteer in einer Universität in Fouzhou) belagern wir den Airline-Schalter… und wenden jegliche Arten chinesischen Charmes an. Schliesslich die Information: alle Gepäckstücke werden ausgeladen, die Maschine könne wegen eines technischen Defektes nicht weiterfliegen. – Wir sind erleichtert. – Das mit dem technischen Defekt nehmen wir ihnen nicht ganz ab, es geht wohl eher darum, das Gesicht zu wahren. – Mit dem Taxi an den Bahnhof, Ticket (zweieinhalb Stunden Wartezeit, die Züge haben Verspätung wegen Taifun) lösen… und schliesslich nach Xiapu fahren. – Nun sind wir also in der Stadt; die Umgebung ist aber ländlicher denn je. Wir sehen und erleben Dörfer, wie wir sie auch auf dieser Reise in China noch nie gesehen haben. Wir begegnen Menschen, die einerseits höchst erstaunt sind, Langnasen in ihrem Dorf zu sehen, andererseits wiederum unendlich offen und hilfsbereit sind. Wiederholt werden wir zum Essen eingeladen… und in Xiapu selber dürfen wir durch den Kontakt mit einer englischsprechenden Tourguide, welche eigentlich Lehrerin ist, zwei unterschiedlich gute Mittelschulen besuchen… und dort je eine Lektion auf Englisch halten; win-win auf Chinesisch! -  60 Teenies im Alter von 16 -19 in einem kleinen Klassenzimmer. Wie schön, dass wir in der Schweiz (noch) tiefe Teilungsgrenzen haben.

 

Der Ausflug nach Xiapu berührt unser Herz also mehrfach: 1_Geplante und gewünschte Bildkompositionen in einer faszinierenden Natur. 2_Dörfer, einmal mehr mit offenen und herzlichen Menschen. 3_Einmalige Erfahrung in einer chinesischen Mittelschule. 4_Turbulente, aber gelungene Reise im Umfeld des Taifuns. – Mit diesen (und unzähligen mehr) Eindrücken verlassen wir den ländlichen Teil Chinas… und verbringen die abschliessenden Tage in der Metropole Hong Kong.

 

Schule

Hongkong August 2017

 

 

 

Gehört Hong Kong zu China? Wie viel Hong Kong gehört zu China? Was passiert mit dieser Stadt, welche sich seit zwanzig Jahren auf einer Gratwanderung befindet? Was passiert mit der jungen Generation, welche in (mindestens) zwei Welten aufwächst? Weiss sich diese Stadt zu behaupten? Laufen Shanghai und andere Städte ihr bereits den Rang ab? Wie viel China? Wie viel Kosmopolitisches? – Ob wir uns auf Hong Kong Island, auf Kowloon oder irgendwo dazwischen / daneben bewegen, unsere Beobachtungen führen immer wieder zu den gleichen Fragen und Diskussionen. Und wenn wir nicht mehr denken und reden können, schauen wir uns die grossartige Stadt von oben, oder nachts an. – Ein passender Abschluss. Denn offene Fragen können auch zu einem späteren Zeitpunkt beantwortet werden, … sollte nicht jemand zeitnah Alternative Fakten bieten.